Das Glitzern des Drecks 1

Der erste Blick in den Hof

Altersbedingt gebeugt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wie eh und je mit hochrotem Kopp, steht Karl, einem altersschwachen Penis gleich, im Hinterhof und beobachtet unverhohlen jeden Schritt der getan wird. Leicht wiegt er sich vor und zurück, ganz so, als ginge ein sanfter Wind. Ein Wind, der dabei ist sich zu verlieren und von dem nur eine Ahnung bleiben wird, dessen Kraft gerade noch reicht, einen dünnen Grashalm zu biegen. Aber in diesem elenden Hinterhof geht kein Wind, weder heute noch irgendwann und Gras gibt es auch keins. Zu hören ist ohnehin bloß Lärm, der wie schmutziger Regen über die Dächer nach unten fällt. Hier im Hof gibt`s nur Dreck. Dreck und Ratten.

Im Hinterhaus, Außenklos und durchgetretene Treppen, kaputte Geländer und von den Wänden rieselnder Putz. Genau hier hatte Erik eine Bleibe gefunden. Auf dem Treppenabsatz, im zweiten Stock gegenüber, dort, wo er seit einigen Tagen, sein erstes, eigenes Zuhause einrichtete, einen Pickelhauben sammelnden Nachbarn. Drei Treppen links Künstler Lindemann, der seine misslungenen Bilder zur freien Entsorgung einfach vor die Tür stellt. Ganz oben links Kinderzahnarzt Fleischfresser, welcher mit Hingabe seinen Garten vor dem Fenster wässert. Einen gigantischen, selbstgebauten Blumenkasten, worin er Tomaten zieht. Monate später wird sich ein Zentner feuchter Erde samt Bodenbrett aus dem Rahmen lösen, Haarscharf an Daniels Rübe vorbeirauschen und krachend im Hof zerschellen. Zusammen mit den Tomaten und all dem anderen Grünzeug.

Doch die Aussicht auf eine selbstbestimmte Zukunft macht diesen abweisenden Ort irgendwie heimelig. Wenn man genau hinschaut, wächst hinter den Mülltonnen sogar etwas Moos zwischen den Steinen und im Nachbarhof steht eine schöne, große Kastanie. Nach ein paar Tassen Rotwein könnte man es glatt für einen Botanischen Garten halten. Grüner wird‘s nicht.

In Kürze werden Freunde mit im Hinterhaus einziehen. Aus Leerstand wird Vertrautheit erwachsen. Gedanken, an einen fast schon vollkommenen Zustand machten sich in Erik breit. Alles schien im Umbruch. Alles würde gelingen.

Im Vorderhaus gegenüber, eine Etage tiefer und dank Festbeleuchtung bestens einsehbar, Susis wundervolle Pussy. Rosig und prall und wenigstens dreimal die Woche im Einsatz. Darüber zwei dicke Jungs, die sicher gern gewußt hätten, was da unter ihnen vor sich ging. Immerhin hatte Susi letzte Woche endlich eine Verwendung für ihren Schreibtisch gefunden. Während junge Kerle mit runtergelassenen Hosen und wippenden Ärschen sich zwischen ihren weitgespreizten Beinen fix und preiswert erleichtern, liegt Susi auf dem Rücken und zählt die Kohle. Wozu sie natürlich das Licht anläßt. Zählt sich besser.

Im Quergebäude unterm Dach eine Horde Nazis, darunter eine Klavierlehrerin und Karl. Berufsschuldirektor Karl, der Erik echt nicht erkannte.