Eselmühle Halle – schön, Dank Esel

Noch nie zuvor war ich in Halle an der Saale. Irgendwie gab es wohl nichts, was mich hätte nach Halle locken können und so mußte ich erst 50 werden und wegen der neuen Arbeit eine Dienstreise dorthin unternehmen. Ich kannte zwar Burg Giebichenstein und die dortige Kunsthochschule, wo der berühmte Maler Willi Sitte Ende der 50er Jahre zum Professor für Bildende- und angewandte Kunst berufen wurde, nur mehr wußte ich nicht über die größte Stadt von Sachsen-Anhalt. An dieser Stelle fällt mir natürlich der Spruch „Lieber vom Leben gezeichnet als von Sitte gemalt“ ein. Doch wenn ich ehrlich bin, dann mag ich die großen und ausdrucksstarken Gemälde mit ihren kraftvollen Farben, und das Sitte als Präsident des Verbandes Bildender Künstler natürlich Staats- und linientreu war, ist mir bis heute ziemlich schnurz. Jedenfalls gingen mir genau diese Gedanken im Kopf herum, als ich nahe der Burg den ersten Termin hatte. Um ehrlich zu sein, ich erschrak beim Anblick der Straßen. So kaputte und traurige Häuser sah ich schon lange nicht mehr. Leerstand, bröckelner Putz und vernagelte Fenster, die Straßen in schlechtem Zustand. Es war zwar nur ein kleiner Bereich, der mich so empfing, doch genau dieser erste Eindruck paßte zum nasskalten, grauen Wintertag. Dann ging es weiter in die uniformen Betonklotz-Stadtbezirke, von denen ich noch nie einen Menschen gut sprechen hörte. Neubaublöcke so weit das Auge reicht, große Flächen mit Garagenplätzen, Einkaufszentren mit auffällig vielen, leerstehenden Ladeneinheiten und immer wieder diese langweiligen Schnäppchenparadiese. Woher kommt eigenlich die Idee, daß das Paradies immer billig/ ein Schnäppchen ist?

Halle und ich, wir taten uns zu Anfang recht schwer und in Gedanken war ich wieder zu Hause in Berlin, als ich am Nachmittag im Vorbeifahren plötzlich eine alte Mühle sah, die so gar nicht zur Umgebung paßte. Also fix umgereht und ausgestiegen. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht auch die schönen Seiten der Stadt würde entdecken können. Das Gartentor steht offen und Müll liegt herum, Türen und Fenster sind verrammelt – ich begreife es nicht. Gibt es denn zwischen all dieser architektonischen Langeweile, zwischen all diesen abgewirtschafteten Einkaufszentren und der offensichtlichen Ärmlichkeit (natürlich nur im Vergleich mit anderen Städten zu verstehen) keinen Bedarf für solch einen Ort, für eine Mühle mit Garten? Massenhaft Einkaufszentren und weitverbreitet prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse passen nicht zueinander. Zumal ich die Reduzierung des Menschen auf den Status des Konsumenten nicht sonderlich sympathisch finde.

Aber auch wenn die Mühle verlassen steht, so ist sie der erste Lichtblick des Tages. Um ehrlich zu sein, die Mühle ist die zweite, positive Erfahrung. Doch dazu komme ich noch. Erstmal gehe ich um die Mühle herum und entdecke zu meiner Freude … sehen Sie selbst.

ESELSMÜHLE (das schreib ich doch gleich in Versalien und fett), die haben in Halle eine ESELSMÜHLE! Ich bin natürlich schwer begeistert und übelege, ob ich nach Halle umsiedeln sollte. Die Stadt gefällt mir immer besser. Halle braucht mehr Eselsmühlen und weniger Einkaufszentren mit Schnäppchenparadiesen. Zumal ich das Pardies mit Esel logischer als mit Schnäppchen finde.

Logischer und schöner! Fenstergitter mit Esel und restlos begeistert streife ich über das verlassene Grundstück. Da hinten entdecke ich noch einen alten Aufsteller und inzwischen suche ich mittels iPad nach etwas Geschichte und Information zur Eselsmühle.

Erbaut wurde die Mühle 1887 auf dem Grund der Gemeinde Nietleben, welcher heute zu Halle-Neustadt gehört, und bis Ende er 60er Jahre diente die Mühle wirklich als Mühle. Danach erfolgte der Umbau zur Ausflugsgaststätte und an den Wochenenden stürmten die Hallenser den gemütlichen Ort (was man von den zahlreichen Schnäppchenparadiesen wirklich nicht behaupten kann), wo die Kinder sogar manchmal auf einem Esel reiten konnten. Die Mühle wurde berühmt, das Eselchen natürlich auch, und bis 1974 war die Eselsmühle in Betrieb. Wegen der heranrückenden Braunkohle gab es eine Zwangspause von zwei Jahren, bis es von 1976 bis zur Wende weiterging. Oben auf der Mühle reitet der Teufel auf einem Esel im Wind und seit Jahren schon wartet die Mühle aus neue, glücklichere Tage … und einen Esel.

Und der zweite Lichtblick? Die Hallenser scheinen ein freundliches Völkchen zu sein.

Schlagwörter: