Eselspaziergang in der Uckermark – No.1

Von Flieth nach Groß Fredenwalde

Mit Narcisse durch die Uckermark zu spazieren ist mein liebster Zeitvertreib und die Art und Weise, wie wir beide durch die Landschaft streifen, sagt viel aus über unser Verhältnis zueinander. Ich bin zwar der, der ein Ziel im Kopf hat und nach dem Start deshalb erstmal die Richtung festlegt. Doch den weiteren Verlauf der gemeinsamen Zeit, den gestalten wir beide. Unser beider Interessen sind wichtig und auch wenn ich manchmal drängele und ob der ollen Trödelei zu Beginn einer jeden Tour immer wieder schimpfe – das Tempo bestimmt zumeist der Esel.

Seitdem Narcisse in meiner Nähe lebt, er sein neues Zuhause in der Uckermark hat, sehen wir uns fast jede Woche. Wann immer ich zwei oder drei Tage frei hab, fahre ich einen Tag zu ihm raus und einmal in Flieth am Regionalladen bonUm gustUM angekommen, folgt die Begrüßung einem festen Ritual: „Naaaaaarcisseeeeee“ rufe ich laut, während ich am Zaun stehe und darauf warte, dass sich meine Esel in Bewegung setzt. Mal hat er es eilig und kommt zügig auf mich zu. Dann wieder versteckt er sich zwischen seinen neuen Freunden. Ein Signal, welches ich mit viel Wohlwollen zur Kenntnis nehme. Oft jedoch setzt er sich nur sehr (sehr sehr sehr) gemächlich in Bewegung. Na das wird ja heiter werden, denke ich mir dann oft und setze mich für einen Espresso in den Regionalladen. Narcisse darf dann erstmal auf der Wiese bleiben – gesichert durch eine lange Leine – und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: fressen, naschen, von der Uckermark kosten.

Und so war es auch vorgestern. Ganz genau so. Espresso, ein kleiner Plausch im Regionalladen und danach habe ich den Süßen aus der Koppel geholt. Holen müssen. Halfter, Führstrick, Möhre und los. Der Graue folgte mir auf den ersten metern erstaunlich gut. Für einen Moment war ich optimistisch, dass wir die reichlichen drei Kilometer (genau sind es wohl 3,6 km) bis Groß Fredenwalde in vielleicht vierzig Minuten schaffen könnten. Für eine Bekannte habe ich ein Paket unterm Arm – warum trägt der Esel nicht das Paket? Die Frage hab ich mir nach der ersten Kurve dann mehrfach selber gestellt. Der Esel nascht hier und der Esel nascht da. Hier gibt es viel leckerere Sachen als auf der völlig leergefressenen Koppel. Ich lasse ihm sein Vergnügen und da ich selber immer wieder stehenbleibe, kommen wir nicht sonderlich zügig voran. Er trödelt, ich trödele und wir brauchen mehr als eine Stunde, um unser Ziel zu erreichen. Der Pappkarton wechselt den Besitzer und Narcisse schnappt einmal kurz zu. Kann ja nicht sein, dass er nichts davon abbekommt. Innerhalb einer Sekunde beißt sich mein Esel ein Stück aus dem Karton heraus. Lecker Pappe. Mein Gott, es frißt wirklich alles. Als hätten wir nicht überall angehalten, nur damit er in Ruhe naschen kann.

Gemeinsam spazieren wir noch durch den kleinen Ort und lassen das große Gutshaus – welches 1731 erbaut wurde – rechterhand liegen. Heute möchte ich mir die Dorfkirche von Groß Fredenwalde anschauen. Ursprünglich befand sich das Land im Besitz der Familie von Stegelitz, bevor es wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts von den von Arnims bewirtschaftet und verwaltet wurde. Wir laufen einmal um die schöne Feldsteinkirche, deren Hauptgebäude ich ins 13. Jahrhundert stecken würde. Der Kirchturm dürfte vielleicht gegen 1760/1780 angebaut worden sein. Was haben sich diese kleinen Ortschaften doch für große Kirchen geleistet? Die Grabsteine auf dem direkt angrenzenden, kleinen Friedhof tragen fast ausnahmslos den Namen Arnim. Als wenn hier keine anderen Leute gelebt hätten. Vermutlich wird es hier irgendwo noch einen Friedhof fürs gemeine Volk geben. Wir laufen noch einmal zur alten Slawenburg – heute nur ein bewaldeter Hügel – und weil es anfängt zu regnen, läute ich das Ende des Spaziergangs ein. Nach weiteren gut 200 Metern ist der Eselbauch gefüllt und Narcisse findet seinen Rhythmus. Ich lege meine Rechte zusammen mit dem Führstrick über seine Schulter und dann marschieren wir los. Nicht einmal hält er an. Der Graue zieht in einem Rutsch durch und nach genau 40 Minuten sind wir zurück: Möhre, Kuss und „bis bald mein lieber Esel“. „Du bist großartig gelaufen“.