Es ist ein trüber Mittwochmorgen. Nieselregen, grauer Himmel und während die Scheibenwischer lauter feinen Tröpfchen zur Seite schieben, gehe ich in Gedanken all meine Utensilien durch, die ich für die drei kommenden Tage eingepackt habe: Schlafsack, Handtücher, Kosmetikbeutel, Wechselklamotten, Camping-Gaskocher, Topf, Thermoskanne, Espressoglas, Plastikschüssel, Besteck, Instant-Espresso und eine Tube Milchmädchen. Dazu Teebeutel, Lesebrille, Ladekabel, iPad, Regenjacke, Taschenmesser, Campingleuchte und Möhren. Ja, richtig gelesen! Möhren. Schöne, kleine Möhren. Habe ich etwas vergessen? Wozu die Möhren?
Einzeln habe ich alle Gepäckstücke ausgewogen und absolut gleichmäßig auf zwei wetterfeste Taschen verteilt. Insgesamt 18 kg Gepäck und einen kleinen Teil – die wichtigsten Dinge – trage ich selber auf dem Rücken. Der Esel, der mich auf dieser Wanderung begleiten wird, hat also wirklich nicht viel zu tragen. Jede Tasche wiegt 8kg. Die Möhren sind für ihn.
9:30 erreiche ich Flieth-Stegelitz, halte vor dem Regionalladen bonUm gustUm (guter Geschmack), wo sich auch die Eselstation von (Celine Aktiv Reisen) befindet, und werde freundlich von Katrin von Zwoll begrüßt. Ihr habe ich es zu verdanken, daß ich noch einmal – bevor ein neuer Abschnitt in meinem Berufsleben beginnt – in Begleitung eines Esels an die frische Luft komme. Durchatmen, wandern, in Ruhe und allein ins weite Land schauen. Mehr nicht. Ich liebe die platte Uckermark, wo man schon am Donnerstag sehen kann wer sonnabends zu Besuch kommt. Was für einen Esel werde ich bekommen?
Ich weiß, es ist ein Privileg, eine Ausnahme ist. Die meisten Anbieter von Eselreisen geben ihre Tiere nie allein in die Hände einzelner Personen. In aller Regel gibt es für ein paar Leute immer zwei Esel. So sind die Tiere nicht allein und zusammen mit den Menschen entsteht automatisch eine kleine Herde – nichts lieben Esel mehr. Zumal nicht alle Tiere für ein-Mensch-ein-Esel-Touren geeignet sind. Diese Kombination ist immer schwierig und ich bin sehr dankbar für dieses Entgegenkommen. Wenn wir uns nicht kennen würden und Katrin nicht wüßte welche Erfahrungen und Kenntnisse ich mit Eseln habe, dann wäre es auch nichts geworden. Es ist eine Ausnahme.
Aber erstmal Espresso, etwas quasseln, Katrin drückt mir eine Karte in die Hand und erklärt mir meine Route. Es ist wie ein kleines Überraschungspaket. Denn erst jetzt erfahre ich, welche Wege wir gehen werden und wo wir übernachten. Grünheide, Schmiedeberg, Biesenbrow und eine Übernachtung in der Pension Die Kleine Schäferei. Weiter über Ziethenmühle, vorbei an Frauenhagen, Breitenteicher Mühle nach Welso zur Pension am Froschteich, wo ich wieder übernachten werde. Tag drei führt über Görlsdorf durch den Lenné-Park Görlsdorf, von wo wir dann beide abgeholt werden. Ein schönes Program und für mich ganz neue Wege. Nur so langsam werde ich hippelig und will endlich wissen, mit welchem Esel ich wandern darf. Auf geht’s in Richtung Eselkoppel, wo ich erstmal das gestern frischgeborene Eselbaby bestaune. Grau mit einer weißen Nase hoppelt es bereits munter immer dicht um die Mutter herum. Kleine Eselkinder sind unheimlich charmant. Einfach entzückend. Dann stellt mir Katrin die drei Esel vor, die alleine mit einem Menschen wandern können und relativ schnell entscheide ich mich für Elias. Ein kleiner Eselmann, der mir irgendwie auf Anhieb sympathisch ist. Ich hänge den Führstrick ins Halfter und gemeinsam verlassen wir die Koppel in Richtung Hänger, wo mir Katrin das System der Tragetaschen erklärt. Sie hat eine federleichte Tragetaschen aus Sisal anfertigen lassen, die dem Esel über den Rücken gelegt wird. Keine Gurte, darunter eine leichte Stoffdecke und wenn man gleichmäßig pakt, dann rutscht da auch nichts. Total perfekt. Wozu sollte ich diesem kleinen Esel ein schweres Holzgestell, welches auf einer dicken, schweren Sattelunterlage liegt, mit Riemen um den Bauch fest auf den Rücken schnallen? Hier in der Uckermark sind die Wege glatt, Abstiege mit kleinen Sprüngen – so wie in Frankreich auf dem GR70 – sind nicht zu erwarten und wenn die Ladung verrutscht, dann werde ich wohl nicht gleichmäßig gepackt haben.
Nur Minuten später folgt Elias mir ohne Probleme in den Hänger, mein Gepäck kommt mit ins Auto und schon fahren wir gemeinsam zum Startpunkt in Richtung Grünheide, wo Katrin sich nach einigen Metern von uns verabschiedet. Wir sind allein. Laufen einen leicht ansteigenden Waldweg entlang und sogar das Wetter wird freundlicher und heller. Elias läuft brav neben mir und ich halte Ausschau nach einem Pausenplatz. Katrin von Zwolls Tiere sind darauf konditioniert etwa 40 Minuten nach dem Start eine ordentliche Frühstückspause zu bekommen und da spricht auch von meiner Seite nichts gegen. Da links, dort wo der Feldweg abzweigt, da werden wir rasten. Gepäcktasche runter – was bei dem System ca. 2 Sekunden dauert -, der Esel tritt ans Wiesenbuffet und ich bereite mir einen Espresso.