Mein tadschikischer Glücks-Esel

(von Günter Höhne)

Anfang Dezember 1981 bin ich, damals Literaturredakteur bei der kulturpolitischen DDR-Wochenzeitung Sonntag, für eine Woche Gast des tadschikischen Schriftstellerverbandes. Die Verbindung nach Dushanbe hatte unsere Moskauer Partnerzeitung Literaturnaja Gaseta vermittelt. Über meine Erlebnisse und Begegnungen am Fuße des Pamir schrieb ich anschließend nicht nur im Sonntag, sondern verfasste auch eine vierteilige Artikelserie als Weltbühne-Autor und ein Hörstück (heute „Feature“) für den Schulfunk von Radio DDR.

Ein besonderer Höhepunkt der Reise – auch im doppelten Wortsinn – war eine Ausfahrt weit hinauf ins Gebirge, organisiert und begleitet von dem mir für die gesamte Woche zur Seite gegebenen damals namhaftesten Schriftsteller des Landes, Sorbon. Was auf Deutsch so viel heißt wie Karawanen-Anführer. Sorbon erwies sich als herzenswarmer und verschmitzter Poet und unterhielt uns – den Wolga-Fahrer, mich und meinen Tadschikisch-Russisch-Deutsch-Dolmetscher Sergej – während der teilweise waghalsigen Kutscherei mit Schnurren und Liedern aus dem Kulturerbe seines Volkes. Unser Ziel war der erst kürzlich seiner Bestimmung übergebene gewaltige Nurek-Staudamm, hinauf über endlos sich aneinander reihende Serpentinen, kein Mensch, keine Siedlung weit und breit. Hin und wieder einsam am Straßenrand kniend (!) dürftiges Gras fressende Eselchen oder uns bedrohlich nahekommende riesige Laster, mit Gestein und Schutt beladen von der Immer-noch-Baustelle Nurek herunter rasselnd.

Dann unvermittelt doch eine Eingeborenen-Menschenseele, vergnügt auf einem Eselchen uns begegnend. Beide mit so freundlich einladenden Gesichtern, dass unser Wolgalenker nicht Zwischengas gibt für den schotterigen Anstieg, sondern anhält, das Fenster auf ein paar fröhliche Worte lang herunterkurbelt – und mich hinausspringen lässt. Ich meine rechte Hand aufs Herz gelegt und strahlend „Salam!“ gesprochen (soviel Tadschikisch kann ich gerade mal schon) und fragend auf meinen Fotoapparat weisend. So entsteht eines der freundlichsten „Reisefotos“ meiner Lebensjahre. Es findet sich seit vierzig Jahren über allen Schreibtischen meiner etlichen Wohnungswechsel. Ich glaube fest, dass es mir erst dann einmal wirklich schlecht ergehen sollte, wenn ich alter Esel auf die dumme Idee käme, mich an diesem Erinnerungsfoto wohl doch endlich satt gesehen zu haben.

Text und Fotos: Günter Höhne, www.industrieform-ddr.de