Meine Verkehrswende – Teil 1

Alles muß anders werden. Alles!

Der Bekannte hat Diesel im Blut und während wir reden, führt er jede Menge Beispiele an, welche die umweltzerstörerische Batterieproduktion geißeln: „Und von den Folgen der Beseitigung der Akkus spreche ich noch gar nicht. Da kommen Kosten auf uns zu … kannste dir nicht vorstellen“. Elektromobilität als Schreckgespenst eines plötzlich erwachenden Umweltbewußtsein. Längst vergessen sind die Exxon Valdez und die Deepwater Horizon. Jedenfalls hörte ich noch nie vorher einen Autofahrer/eine Autofahrerin an der Tankstelle von derlei Sorgen um die Umwelt sprechen. Vielleicht liegts auch an den frischen Aufbackbrötchen die es dort gibt? Was so lecker duftet, muß einfach gut sein.

Vorsichtig erinnere ich an die offensichtlichen Bilder, die eigenen Wahrnehmungen – Umweltzerstörungen wohin man auch blickt. Allein der Baumbestand links und rechts der Straßen stimmt wenig optimistisch. Vielleicht hätte man die Braunkohletagebaue einfach so lassen sollen? Die Mondlandschaft als Mahnung für die Zukunft. Alles muß anders werden. Alles ist besser als ein Weiterso. „Klar. Richtig. Der Bekannte stimmt mir zu. Aber diese ganze eTechnik ist doch überhaupt nicht ausgereift. Reichweite! Im Winter machen die Akkus schlapp und im Sommer, wenn du die Klimaanlage einschaltest, kommste kaum um die nächste Ecke. Die Technik ist nicht ausgereift. Glaub mir. Kein Stück“. Wasserstoff. Wir hätten auf Wasserstoff setzen sollen.

Was wäre wohl aus uns geworden, hätte Carl Benz 1886 (Jahr der Patentanmeldung) beim Anblick seiner dreirädrigen, mit einem Gas-Verbrennungsmotor ausgestatteten Kutsche ganz ähnlich gedacht? (Sein Motorwagen – eine Mischung aus Veloziped und Kutsche – brachte nichtmal 1 PS auf die Straße). Nicht ausgereift, da ist ja selbst der Zweispänner schneller, Garagentüre wieder zu und Schluß. Ich sehe den schnauzbärtigen Herrn deutlich vor mir, wie er beim Anblick seiner Idee traurig den Kopf schüttelt und zu sich selber spricht: keine Leistung, schlechter Wirkungsgrad, die Kupplung ist Mist, keine Servo, ja nichtmal ein Lenkrad … einfach nicht ausgreift. Seit wann ist denn der Reifegrad einer Idee das entscheidende Kriterium um etwas nicht anzufangen? Haben sie schon mal das Motor-Fluggerät der Gebrüder Wright gesehen? Mehr Kastendrachen als Flugzeug (das war im Dezember 1903). Das Teil flog bei starkem Gegenwind über Grund rückwärts und wir betrachten die aktuelle eMobilität als zu wenig ausgereift. Was für Sorgen. Die einen wollen auf den Wasserstoff warten, andere halten die ganze Verkehrswende für einen Prozess, der sich ohnehin bald überlebt haben wird. Wozu also jetzt etwas ändern, wenn in Kürze alles anders wird? „Wir schalten unsere Kraftwerke ab, können kaum noch den Strom bezahlen und in Polen und China ziehen sie ein Kohlekraftwerk nach dem anderen hoch. Das bringt doch alles nichts. Erstmal müssen die Großen was tun“.

Um ehrlich zu sein, erinnern mich Diskussionen dieser Art an längst vergangene DDR-Zeiten. Angesprochen, auf einen notwendigen Veränderungsdruck, verwiesen die einen auf ihre zu geringe, gesellschaftliche Stellung, während andere meinten, dass sie viel zu viel zu verlieren hätten. Veränderungen müssen von unten kommen, aus der Basis. Ich in meiner Position … Beste Voraussetzungen für die Zementierung bestehender Verhältnisse. Eine Einstellung, die jeden Despoten freut und der Umwelt nicht weiterhelfen wird. Die Gründe, um nichts zu tun, die sind so zahlreich wie die Probleme und Aufgaben. Der Wald brennt. Neulich in den Nachrichten wurde laut darüber nachgedacht, die Kleinstadt Beskow zu evakuieren. Die Sorgen rücken näher. Na zum Glück ist das Tempolimit vom Tisch. Im Notfall können wir Deutschen vor der Umwelt flüchten – mit 300 auf der Autobahn. Wir brauchen dringend mehr Autobahnen.

Meine Verkehrswende begann im Frühsommer 2019 im Anschluss an eine Stand up Paddeltour quer über den Müggelsee und vielleicht ist dieses Gewitter schuld, welches eine Rückkehr übers Wasser verhinderte. Die anschließende Heimfahrt mit dem Omnibus wurde zum alles-verändernden Erlebnis. Draußen ein Regenguss, der die Welt in ein unscharfes Aquarell tauchte, und drinnen im Bus ein Fahrer, der für einen kurzen Moment/einen Umweg von der Linie abwich um ein kleines Mädchen direkt vor der Haustür abzusetzen. Applaus, Dankbarkeit und ein winkendes Kind. Genau das wollte ich auch. Genau das! BVG, ich komme.

Ich hatte meinen bisherigen Job gekündigt und überlegte, was ich Neues tun könnte. Wozu als Vertreter jeden Tag ganz alleine hunderte Kilometer kreuz und quer durch die Gegend fahren und dafür massenhaft Diesel durch den Auspuff jagen, wenn ich als Busfahrer doch etwas wirklich Sinnvolles tun könnte? Suchte die BVG nicht BusfahrerInnen? Gab es da nicht das Angebot für eine Ausbildung im Quereinstieg? Ein viermonatiger Lehrgang/ein Crashkurs in Sachen Theorie, Technik, Fahrpraxis und Personenbeförderung (IHK). Von Oktober 2019 bis Ende Januar 2020 drückte ich die Schulbank, bestand insgesammt vier Prüfungen, fand mich Anfang Februar auf dem Betriebshof Lichtenberg ein und lernte, während ich mit meinem Lehrfahrer unterwegs war, Linie um Linie. Mobilität als Beruf und Berufung.

Ende Teil 1.