Wilhelm Busch und die doppelte Moral

O heiliger Antonius von Padua, bleib mir zu jeder Stunde nah, und laß mich doch auf dieser Erden, Auch so ein frommer Heil`ger werden! – O heiliger Antonius von Padua, Du kennst mich ja!

Da sitz ich nun am Sonntagmorgen und trinke Kaffee ohne Sorgen, ich lese hier und schmunzel da, über den Antonius von Padua aaa.

Es geht also noch etwas weiter mit dem heiligen Antonius und seinem Esel. Wobei diese Geschichte hier für den Esel, das sage ich lieber gleich vorweg, kein gutes Ende nimmt. Das ist nichts für schwache Nerven und taugt sicherlich nicht als Gutenachtgeschichte für jüngere Eselfreunde. Ist aber auf jeden Fall gut geeignet um noch eins draufzusetzen und dem Ernst des Alltags mit einem Augenzwinkern zu begegnen. Wilhelm Busch eignet sich prima für eine Esel-Sonntagsgeschichte.

Denkt man an Wilhem Busch, dann sicherlich in erster Linie an die Bildergeschichten von Max und Moritz (eine Bubengeschichte in sieben Streichen).

„Max und Moritz gar nicht träge, sägen heimlich mit der Säge, Ritzeratze! voller Tücke, In die Brücke eine Lücke, und als diese Tat vorbei, hört man plötzlich ein Geschrei: He, heraus! Du Ziegen-Böck, Schneider, Schneider, meck, meck, meck. – Alles konnte Böck ertragen, ohne nur ein Wort zu sagen; aber wenn er dies erfuhr, ging`s ihm wider die Natur. Schnelle springt er mit der Elle, über seines Hauses Schwelle, denn schon wieder ihm zum Schreck, tönt ein lautes: meck, meck, meck!“

Nun, Sie wissen ja bestimmt, daß die Geschichte kein gutes Ende nimmt. Zuerst natürlich nicht für den Schneider und zum Schluß nicht für die beiden Bösewichter. Wobei das gute Ende nicht unbedingt Buschs Sache gewesen sein muß. Egal ob der Rabe Hans Huckebein oder die fromme Helene, Fipps der Affe oder Plisch und Plum, meist gibt es Ärger im Paradies und selbst das kleine Glück zum Schluß erscheint mitunter etwas zweifelhaft.

„Der heilige Antonius von Padua“ ist auch so eine Bildergeschichte von Wilhelm Busch und wenn man die Zeichnungen genauer betrachten, dann fällt die antiklerikale Einstellung mit der Busch hier zu Werke geht sofort ins Auge. Entstanden ist die Geschichte, die sich nicht in allen Ausgaben findet, in den Jahren von 1865 bis 1870 und es ist eine ausgesprochen hintersinnige Abrechnung mit der abergläubischen Frömmelei und dem Dogmatismus, die sich auch in den Überlieferungen zum heiligen Antonius finden. Versucht man sich jetzt noch das Umfeld der 1870er Jahre vor Augen zu führen, dann wird schnell klar, gegen wen und was W. Busch hier mittels Federstrich zu Felde zieht. Schon die zweite Zeichnung der Antonius-Geschichte – sie zeigt eine Nonne im Keller – spielt auf ein Vorkommnis in einem österreichischen Kloster an, wo eine Nonne von ihren Mitschwestern eingemauert worden sein soll, während die Heiligenmalerei sich steigender Beliebtheit erfreute … wegen ihrer Nützlichkeit. Da mußte sich einfach Widerspruch regen. Zumal die Geschichte im ersten Anlauf nicht einmal gedruckt werden konnte. Verleger Eduard Hallberger war nämlich auch für die Herausgabe der katholischen Bilderbibel verantwortlich und sah hier ein gewisses Konfliktpotential. Witzig ist, daß man daran dachte, Wilhelm Busch zum Teil mittels einer Ladung Zigarren zu entlohnen. Als die Geschichte vom Heiligen Antonius dann wenig später bei Schauenburg in Lahr erschien, war sie völlig unfreiwillig von höchster Aktualität. Kaum im Handel verkündete man auf dem 1. Vatikanischen Konzil unter Papst Pius dem IX. das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes und die badischen Behörden, in deren Amtsbereich die Veröffentlichung des Büchleins fiel, beschlagnahmten sofort alle Exemplare derer sie habhaft werden konnten. Was für eine Idiotie. Gegen den Verleger wurde wegen Erregung eines öffentlichen Ärgernisses, Herabwürdigung der Religion und Verbreitung unzüchtiger Schriften Anklage erhoben und vermutlich hätte man auch den Urheber der Bildergeschichte gern verhaftet. Doch weil dieser für die badische Staatsanwaltschaft nicht erreichbar war, stand am 27. März 1871 erstmal nur der Verleger selber vor Gericht. So kann`s gehen, wenn man in die Mühlen der Behörden gerät. Am Rande sei vermerkt, daß am gleichen Tage ein Pfarrer wegen Kindesverführung und Mißbrauch vor Gericht erscheinen mußte und sich der Prozess gegen Buschs Homor, der die Unnatürlichkeit des Zölibats aufs Korn nimmt, somit selber ad absurdum führte. An dieser Stelle sei das damals sehr beliebte katholische Erbauungsbuch „Unser Lieben Frauen Calender“ erwähnt, wo für jeden Tag wenigstens eine Wundertat zu Ehren der Jungfrau Maria zu finden ist und ein frommer Klosterbruder an den Brüsten der Heiligen Jungfrau saugen darf. Allein die Vorstellung paßt so gar nicht zur verordneten Prüderie und Moral jener Zeit. Der Verleger wurde zum Leidwesen der Staatsanwaltschaft freigesprochen und die beschlagnahmten Werke mußten zurückgegeben werden. Was aber nicht bedeutete, daß fortan frei gelacht werden durfte. Österreich, Preußen und das zaristische Rußland verboten das Werk auch weiterhin und ließen immer wieder ganze Auflagen konfiszieren, und im Königreich Bayern hat man Busch seine Respektlosigkeiten bis zu seinem Tode nie verziehen. Obwohl einstimmig von den Mitgliedern vorgeschlagen, wurde ihm die Aufnahme in den Maximiliansorden und die damit verbundene Erhebung in den Adelsstand verweigert. Gestört haben wird es ihn nicht. War ihm doch alles Getu von Herzen zuwider.

Antonius jedenfalls beginnt seine Wallfahrt mit einem Esel.

„Ein Christ verspüret großen Drang, das heil`ge Grab zu sehn, Drum will Antonius schon lang, Dahin wallfahren gehen. Es schickt sich, daß ein frommer Mann, die Sache überlegt; er schafft sich einen Esel an, der ihm den Ranzen trägt.“

Und so ziehen Antonius und sein Esel gen Jerusalem.

Jetzt ist Mittagspause, dann Mittagsschlaf, anschließend werde ich mehrere Tassen Espresso benötigen und dann geht es weiter. Schließlich ist heute Sonntag.

So, pünktlich um 16:25 geht es mit der Eselei und dem heiligen Antonius bei Wilhelm Busch weiter. Versprochen ist versprochen.

Wie also der Antonius und der Esel so durch die Gegend ziehen, kommt hinter einem Gebüsch ein Bär hervorgesprungen und der frißt den Esel von hinten nach vorne komplett auf.

Wunderbar dargestellt ist an dieser Stelle die Seelenruhe, mit der unser frommer Antonius das Leid des Esels erträgt.

Um am Ende den Bären für seine Zwecke einzuspannen. Klar, Strafe muß sein und ich habe da wenig Mitleid mit Meister Petz. Doch die zur Schau gestellte Gleichgültigkeit des heiligen Mannes illustriert sehr schön, worum es wirklich geht: Um das alleinige Seelenheil des Antonius.

In diesem Sinne wünscht das Eselbook noch einen schönen Sonntagabend.