27.5.16 – Der fünfte Wandertag auf dem GR 70
Wandertip: Bevor sie heute auf eine recht kurze Etappe starten, sollten sie den Morgen nutzen und sich das Trappistenkloster Notre Dame des Neiges anschauen, wo Robert Louis Stevenson seinerzeit übernachtete; was ich nur empfehlen kann. Der Ort ist wunderbar ruhig gelegen und man kann dort sehr gut übernachten. Lassen sie ihre Sachen im Hotel, den Esel auf der Koppel, und gehen sie einfach so die 5,5 km zum Kloster. Wenn sie nach dem Frühstück ohne Esel stramm loslaufen, sind sie gegen 11 Uhr zurück und dann haben sie immer noch genügend Zeit für die Tour nach Chasseradès.
Der Tag beginnt wie immer mit der Pflege des Esel, ich gönne mir zur Abwechslung mal ein Frühstück und habe es auch sonst überhaupt nicht eilig. Es ist eine kurze Etappe und schließlich soll es ja Urlaub mit Erholungseffekt sein. Wir verlassen das Hotel, laufen eine weite Rechtskurve schwenken nach links über die Gleise und dann beginnt ein Aufstieg der es in sich hat. Die Kletterei geht nicht nur mir auf die Knochen und Narcisse testet mal wieder aus, was geht und was nicht. Ich fürchte mit der Zeit nicht hinzukommen und bereue die morgentliche Trödelei. Wir sind 9 Uhr los und es will und will einfach nicht vorwärts gehen. Ständig bleibt er stehen und schaut sich den Löwenzahn an. Mir platzt der Kragen und mein Stöckchen kommt wieder zum Einsatz. Ständig kratzt es hinter ihm auf der Straße oder wedelt ihm rechts oder links vor der Schnauze herum, wenn er nach Freßbarem giert. Ich fluche, bleibe hartnäckig, lasse nicht locker und dann gibt er auf, tut, was ihm aufgetragen und läuft und klettert und läuft. Nach zwei Stunden haben wir den Anstiegt von fast 5 km Länge absolviert und gönnen uns eine schöne Pause auf dem Berggipfel. Der Süße darf sich austoben, wälzen und fressen, andere Wanderer anbetteln und sich fotografieren lassen. Ich mache mir einen RedBull Heidelbeere auf, entdecke lauter schöne Fotomotive und weil das Teewasser noch nicht kocht, gehe ich mit der Kamera umher und fotografiere Blümchen, bis ich plötzlich in meinem Rücken ein Geräusch höre, welches mir einen unglaublichen Schreck einjagt und mir doch sehr vertraut vorkommt. So klingt es, wenn man eine Getränkedose zerquetscht und im Herumdrehen sehe ich wie in Zeitlupe meinen Esel, der mit hocherhobenem Kopf dasteht und sich meinen RedBull in den Hals laufen läßt. Also er muß grad damit fertig gewesen sein und vor meinen Augen senkt er den Kopf, die Dose fällt ins Gras und Narcisse dreht ab. Der Lumpenhund hat meinen RedBull ausgesoffen, das darf doch nicht wahr sein. Na warte Freundchen, wer RedBull säuft muß Leistung zeigen. Aus dem geplanten Tee wird ein Espresso, dann wird der Räuber beladen und weiter geht es durch den Hochwald. Der Weg verläuft jetzt flach ohne weitere Steigungen über das Plateau de la Mourade, auf der linken Seite steht ein großer Sendemast und wir laufen hinein in den Forêt Dominiale de la Gardille, werden von den netten Französinnen eingeholt und gehen dann gemeinsam weiter.
Mal sind sie vorne und dann wieder wir, die vier singen Chansons und ich erinnere mich an eine der ersten Schallplatten, die meine Mutter sich nach der Scheidung kaufte: Juliette Gréco und bis heute gehört ihre Interpretation von Parlez-moi d’amour zu meiner Lieblingsmusik und die Melodie pfeifend ziehen mein Esel und ich auf der D 6 weiter, halten uns auf der Straße, werfen einen Blick auf den langen Schneeverwehungstunnel der Eisenbahn und erreichen das Hotel „Les Sources“ von Éric Chaptal kurz vor 15 Uhr. Ein herrlicher Ort und ich werde erstmal auf einen Espresso eingeladen und während meine Wanderfreundinnen bis nach Chasseradès weiterlaufen, machen wir es uns gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und faulenze während sich das Eselchen wälzt und Salz leckt.
Monat: Juni 2016
Abschied in Le Plagnal – das Ende meiner Eselwanderung
Posted onAutorDerReisende
3.6.16 Abfahrt
Es ist ein kurzer, unsentimentaler Abschied. Zeitig bin ich auf und während ich hinausgehe um nach dem Eselbaby zu schauen, kommt Balou sofort herein und guckt in seinen Futternapf. Ich schicke Marie ein großes Eselbaby-OK, packe meine Sachen ins Auto, Balou packe sich wieder neben den Ölradiator und dann stecke ich Narzisse die letzten Leckerli ins Maul. Der Esel läuft wieder frei in der Landschaft rum und weicht trotzdem seinem besten Kumpel, dem großen Poitou-Hengst, nicht von der Seite. Zusammen mit Marie, die auf einen Sprung vorbeikommt, trinke ich noch einen Kaffee, wir verabschieden uns und während Marie schon abfährt, trödele ich vor mich hin und suche Gründe, das Unausweichliche noch etwas hinauszuzögern. Als irgendwann nichts mehr zu tun ist, schließe ich die Tür, kraule Balou den riesigen Schädel, hänge ihm den Schlüssel um den Hals, streichle ganz vorsichtig das Eselbaby und fahre ab. Kurz vor der Straße steht Nassis … Zwölf Tage waren der Esel und ich unzertrennlich, zehn Tage wanderten wir über 230km und haben viel gesehen und erlebt. Nicht heulen Erik sage ich mir, steige aus und drücke ihm einen Kuß zwischen die Ohren. Mach’s gut du lieber Esel.
Der letzte Blick.
Wir werden uns wiedersehen mein Lieber. Versprochen.
KategorienReise&Wanderesel
Eselwanderung – ein fauler Tag zum Schluß in Cassagnas
Posted onAutorDerReisende
2.6.16 – der letzte Tag
So lange habe ich während der letzten Tage nicht geschlafen und fast wäre ich zu spät zum Frühstück gekommen. Ich lasse zwar das Frühstück gern ausfallen, weil ich mir denke, der Körper kann erstmal was leisten, bevor es Nahrung gibt. Doch heute sitze ich mit Wonne im Speisesaal und bediene mich nach Herzenslust. Was der Esel kann, kann ich auch und schon lade ich mir den Teller wieder voll. Nassis wurde natürlich längst begrüßt und ich habe ihn aus der Koppel gelassen, damit er stromern kann.
Zusammen mit dem kleinen Wuffi streift er jetzt umher und bettelt die Wanderer an, die das Hotel zu ihren Tagestouren verlassen. Er weiß, ein jeder von denen hat ein Lunchpaket dabei und versuchen kann man es ja einmal. Anschließend bespreche ich mit Annabel, wo ich mein Zelt aufstellen kann; da kein Bett frei ist, werde ich eine Nacht auf dem Campingplatz schlafen und meinem Süßen damit eine große Freude machen. Er liebt es, wenn er in meiner Nähe sein kann und zum Campingplatz nehme ich ihn natürlich mit. Wenn er könnte, würde er sofort mit ins Zelt krabbeln. Nimm deinen dicken Kopp da raus, ich muß den Reißverschluß zumachen damit keine Mücken reinkommen. Ich räume meine Sachen ins Zelt und weil die Sonne scheint, zupfe ich den Grauen am Ohr und gemeinsam drehen wir eine kleine Runde zum Fluß. Es ist die Mimente, die in unmittelbarer Nähe vorbeifließt. Zurück in der Unterkunft packt mich der Tatendrang und ich miste die Eselkoppel richtig aus und während ich den Dreck wegschaffe und neues Stroh auslege, kommt plötzlich Armand angeschlendert und setzt sich auf einen Espresso kurz hin, wir plaudern über seine letzten beiden Wandertage, tauschen Adressen und Telefonnummern aus und nachdem er Nassis eine Möhre spendierte marschiert er auch schon wieder weiter. Die Möhre ist ein gutes Stichwort, denke ich mir und schlendere zurück zum Hotel, wo ich mir anschaue, was es zum Mittagessen alles geben wird. Der gesunde Appetit meines Esels scheint ansteckend gewesen zu sein. Zur zeitlichen Überbrückung gönne ich mir noch einen Espresso, schreibe noch eine Postkarte, schaue hoch und da steht Marie vor mir – einen Tag eher als geplant – und lacht über das ganze Gesicht. Wir packen alle Sachen in den Transporter und ich muß Nassis herbeiführen, weil der so tut, als würde er Marie nicht kennen. Ich verabschiede mich von Annabel, schiebe Nassis in den Hänger und keine halbe Stunde später sind wir unterwegs und machen einen kleinen Umweg über La Borie,
wo wir an der Station La Ferme de Cévennes, ein Ort, den ich nur empfehlen kann, noch einen anderen Esel abholen, der mit einem schweizer Ehepaar für eine kleine Strecke unterwegs war. Nassis darf während wir warten aus dem Hänger, ich streife umher und schaue mir die kleine Käsefabrik an, die sich unterhalb des Gites befindet.
In Gedanken mache ich Pläne für den nächsten Urlaub, hier muß ich auch unbedingt mal übernachten und während ich Nassis in meinen Plan einweihe, spitzt der die Ohren und hebt den Kopf. Ich folge seinem Blick und da kommen die beiden Wanderer mit dem anderen Esel. Jetzt gibt es kein Halten mehr. Nassis stürmt los und vor lauter Freude reiben die Tiere ihre Köpfe aneinander und während wir Menschen noch etwas plaudern, bleiben die beiden ganz dicht beieinander. Da war ich wohl für fast zwei Wochen der menschliche Ersatzesel, Bezugspunkt und dringen benötigte Gesellschaft. Man sollte nicht allein mit einem Esel wandern. Ich sitze, den Kopf voller Erlebnisse, neben Marie im LKW, schaue immer wieder durch das kleine Fenster nach hinten zu den Eseln. Unterwegs entdecken wir unsere gemeinsame Liebe zur Musik der Sinti und Roma, Marie sucht die Suite Armenienne Les Yeux Noirs, ein junger Mann am Straßenrand entpuppt sich als Maries Sohn, in Langogne kaufen wir Pizza und dann ist es nur noch ein kleines Stück bis nach Le Plagnal, wo eine kleine Überraschung in Gestalt eines entzückenden Eselbabys auf uns wartet.
Da steht sie, die kleine Eseldame, steht auf wackligen Beinen, mit riesigen Schlappohren und Marie ist außer sich vor Glück. Ich lasse die beiden Esel aus dem Hänger, stoße mir den Kopf das es blutet, dann beißt mich im Gedränge ein Esel in den Daumen, was noch heftiger blutet und irre schmerzt. Was für ein Tag. Marie verarztet mich, fährt erstmal heim und ich stehe noch eine Weile an der Koppel und betrachte voller Freude das kleine Poitou-Eselbaby. Dann schiebe ich Balu vor die Tür, damit er Wache hält, lege mich hin und schlafe sofort ein. Für eine letzte Nacht bin ich der König vom Eselhof.
KategorienReise&WandereselSchlagworteCassagnas, Eselbaby, La Borie, La Ferme des Cévennes, Poitou
Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von Mijavols nach Cassagnas
Posted onAutorDerReisende
1.6.16 – der zehnte Wandertag auf dem GR 70
Inzwischen ist Armand aufgestanden und entpuppt sich als großer Katzenfreund; das Katzentier selber allerdings als ordentlicher Raufbold, doch das soll meine Sorge nicht sein. Ich bemuttere meinen Narzisse und prüfe etwas sorgenvoll seine Hufe, die sich im Verlauf unserer Tour deutlich abgelaufen haben. Es ist alles ok, aber ich entscheide mich für die kürzere Strecke, nehme ihm noch etwas Gewicht ab und nach einer herzlichen Verabschiedung geht es sofort los in Richtung Cassagnas. Der Graue läuft ohne jedes Kommando, ohne Führstrick und Stöckchen neben mir, gemeinsam schlendern wir dahin und folgen diesmal nicht den Anweisungen der Routenbeschreibung, sondern gehen kurz hinter dem Dorfeingang auf die Straße, die in einer Haarnadelkurve rechts abbiegt und uns somit erstmal unterhalb des Gites fast zurücklaufen läßt. Ein Herr bestätigt die Richtigkeit des gewählten Weges und obwohl wir auf einer kleinen, alten Straße ins Tal laufen, kann ich diesen Weg nur empfehlen. Niemand außer uns ist auf der Straße unterwegs und keinem Auto mußten wir ausweichen. Alles, was in den letzten Tagen noch im Kopf hin- und herbewegt wurde, was ich immer wieder neu durchdachte und mitschleppte, ist wohl irgendwo da oben in den Bergen geblieben und jetzt läuft es sich so ungemein fröhlich und beschwingt. Der Eselkopf neben mir pendelt leicht hin und her, ganz so als wolle er zustimmend nicken und ich überlege kurz, ob es ein gutes Zeichen ist, daß der Kopf nach zehn Tagen Wanderung leer ist. Endlich leer. Gab es nicht mehr, was bedenkenswert erschien? Ist das alles? Sollte es da nicht mehr geben? Umsäumt von Wiesen und Wäldern, die zugleich etwas Schutz vor dem Nieselregen bieten, laufen wir zügig bergab, im Tal rauscht ein kleiner Bach und die Kastanienwälder zeigen das schönste Grün. Castanea sativa, die Ess- oder Edelkastanie, gibt es zwar in ganz Südfrankreich, doch hier in den Cevennen wurden die Kastanien seit dem Mittelalter großflächig angepflanzt und die häufig anzutreffende Bezeichnung Brotbaum verdeutlich ihre regionale Bedeutung. Interessant finde ich die Zugehörigkeit der Edelkastanie (Gattung Castanea) zur Familie der Buchengewächse Fagaceae. Die Nussfrüchte, die Kastanien, enthalten viel Stärke und sind damit nahrhaft, was Mensch und Tier erfreut. Gekocht, gegrillt, oder roh, gar eingelegt und auch zu Mehl vermahlen, als Brotaufstrich und Marmelade, die Blätter für das liebe Vieh und aus dem Holz der Bäume konnte alles hergestellt werden, was irgendwie notwendig war. Allein die geringe Anbaufläche an den Berghängen war für jede Art von Landwirtschaft ein Problem und so finden sich bis heute die typischen, von kleinen Steinmauern abgegrenzten Terrassenfelder. Mir gefällt das leuchtende Grün der gezackten Blätter und wer schon einmal eine so richtig alte Kastanie gesehen hat, wird wissen, wie groß die Bäume werden können und wie ehrwürdig sie erscheinen. Das Wetter wird besser und besser, der Nieselregen setzt für immer größerwerdende Phasen aus und wir kommen unglaublich schnell voran. Nassis frißt zwar unentwegt, doch er ist wieder zur Technik des Freßlaufens übergegangen und bleibt nur selten stehen. Noch einmal kontrolliere ich seine Hufe und überlege, ob die restliche Strecke zum Problem werden könnte. Im Moment jedoch ist alles in Ordnung und Nassis läuft prima. Schnell sind wir in St. Julien d‘ Arpaon, treffen einen liebenswerten Herrn, der die Gelegenheit nutzt um sein eingerostetes Deutsch auszuprobieren und spazieren durch die alte Burgruine. Das Örtchen, ein kleiner Weiler, liegt oberhalb des Stevensonweges und wird leicht übersehen. Doch wir sind derart schnell und haben es nicht mehr weit, daß ich mich zu dem kleinen Umweg entschließe. An diesem Punkt der Wanderung stoßen wir wieder auf den markierten Stevensonweg – Mijavols, unser letztes Ziel, lag ja etwas abseits von der üblichen Route – und laufen jetzt auf der alten Eisenbahntrasse weiter.
Die Mimente rechts unter uns schlängelt sich durch ein malerisches Tal und ich nutze das inzwischen schöne Wetter für ein kühles Bad. Das Wasser ist klar und leuchtet in den tollsten Farben und kleine Wasserfälle gibt es auch. Die Leichtigkeit und Schönheit dieser Tour scheint eine Art Belohnung für die Strapazen der vorangegangenen Etappen zu sein und erst jetzt nach mehr als fünf Stunden treffen wir auf andere Wanderer. Doch heute darf allein Narzisse das Tempo bestimmen (ob er deshalb so rennt? Hej mein Freund, dies soll eine Wanderung sein, ein gemeinsamer Spaziergang. Von Dauerlauf war nicht die Rede) und niemand ist schneller als wir. Nur eine Sekunde später wechselt er ohne jede Vorwarnung in einen flotten Galopp, spurtet über eine kleine Wiese auf eine Gruppe von drei Wanderern zu, die auf Baumstämmen sitzend beim Picknick sind. Ok denk ich mir, er wird wohl nachschauen wollen, was die Herrschaften auf ihren Broten haben. Ich lasse ihn laufen, weil mein Süßer freundlich begrüßt wird und es scheint, als hätte man ihn längst erwartet. Vielleicht schmeichelt es auch ein wenig, wenn ein Esel angetrabt kommt und sein Interesse bekundet. Der Kumpel von einem Esel zu sein hat was. Doch Vorsicht bei der Interpretation eselischer Ausdrucksformen, weil aus Freude leicht Entsetzen wird und Interesse durchaus in Peinlichkeit umschlagen kann. Narzisse stellt sich ins Zentrum des Picknicks, entspannt sich und läßt es laufen. Er pißt und pißt und pißt. Ich könnte im Boden versinken und eile, um ihn von dort wegzuholen. Allein es ist zu spät. Schämst du dich denn gar nicht? Was soll denn das? Ich entschuldige mich umständlich und während sich die Leute neue Plätze suchen, schleife ich meinen Esel zurück auf den Weg. Mein Gott, was war denn das für eine Aktion? Wie kommt ein Tier auf so eine verrückte Idee? Wir ziehen eilig weiter und es dauert Minuten, bis ich mich wieder an der Schönheit der Landschaft erfreuen kann und Narzisse scheint sich durch Einsatzbereitschaft entschuldigen zu wollen.
Er läuft neben mir her und drückt manchmal seinen Kopf gegen meinen Arm – ist alles gut mein Süßer? Sein Kopf pendelt leicht im Rhythmus der Schritt hin und her und er legt noch einen Zahn zu. Wir schaffen gute 5km in einer Stunde und sind noch vor 12 Uhr im Espace Stephenson, der nächsten Unterkunft, die ca. drei Kilometer unterhalb von Cassagnas liegt. Für Narzisse das Ende der Reise, aber das sage ich ihm noch nicht. Seine Hufe sind am Ende und es wäre unverantwortlich, ihn noch weiter laufen zu lassen – diesen Entschluß faßte ich während der letzten Stunden. Ich höre lieber auf, so lange er sich noch wohlfühlt. Ein unachtsamer Schritt, ein scharfkantiges Steinchen und leicht könnte er Schmerzen haben und verletzt werden. Gedanken, die ich nur schwer ertrage. Damit entfällt die letzte Etappe und Marie kann uns auch hier in Cassagnas abholen. Ich kenne den Zielort von früheren Reisen, habe nicht das Gefühl etwas zu verpassen, mein Ziel nicht erreicht zu haben. Stattdessen freue ich mich auf einen faulen Tag ohne Ziel. Ich werde bei meinem Narzisse sein, Tagebuch schreiben, schlafen und viel essen … so der Plan. Die Eselkoppel ist wunderbar, der kleine Hotelwuffi freut sich über den großen Freund und ich nehme, da das Zimmer noch nicht fertig ist, vor der Bar Platz.
Die junge Dame spricht leider nicht ein Wort englisch, Internet für Gäste gibt es nicht, das Telefon hier unten im Tal ist nichts weiter als ein Fotoapparat und als nach über einer halben Stunde das Zimmer benutzbar ist, sind auch hier die Heizkörper kalt. Ich dusche, sehe mich morgen schon wieder in feuchten Schuhen und Klamotten, fange wieder an mich zu ärgern und entdecke den gelben Dreckrand am unteren Ende des Duschvorhanges. Mein Gott, dies hier ist keine einfache Hütte in den Bergen, die nichts weiter tun soll als den Wanderer vor den Unbilden der Natur zu schützen, dies ist ein Hotel und in der Hoffnung auf etwas Wärme und Verbindung in die Außenwelt, laufe ich die vier Kilometer nach Cassagnas, wo man bei Lichte betrachtet auch nicht tot überm Zaun hängen möchte. Wozu dieses Nest eine öffentliche Toilette hat wird mir ein ewiges Rätsel bleiben; immerhin, es gibt eine Post. Ein Cafe, eine Bäckerei, irgend etwas, was die Sinne frohstimmt und für Frieden sorgt ist nicht zu finden und ich bin schon wieder auf dem Rückweg, als mich ein Mann über seinen Zaun hinweg anspricht und fragt, ob er mir helfen könne. Er freut sich mich zu sehen, schaltet sofort um auf englisch, seine Frau öffnet die Tür und schon sitze ich in der guten Stube, habe Internet für die nötigen eMails bezüglich des Rücktransportes aus Cassagnas, informiere Marie über den Zustand des Tieres und gleichzeitig wird mir etwas warm – ums Gemüt. Sie sind nett die Franzosen. Zurück im Hotel stelle ich fest, daß einer der beiden Zimmergenossen es geschafft hat einen alten Ölradiator aufzutreiben. Das Zimmer ist warum und nun wasche ich doch fix meine schmutzigen Sachen und lege mich für ein Stündchen hin, bis mich Narzisses‘ I Aahh aufweckt. Vor seiner Koppel stehen gut 10 Leute die ihn freudig streicheln, was mich daran erinnert, daß er heute noch nicht gestriegelt wurde (einen nassen Esel darf man nicht striegeln). Der Gute läßt sich die Fellpflege sichtlich gefallen, hält mir inzwischen bereitwillig die abgelaufenen Hufe hin und ich überlege, ob er den Rest der Tour nicht doch noch ohne Probleme geschafft hätte. Es sind nur noch 35 km bis ins Ziel, der Weg ist weich und größere Anstrengungen sind nicht mehr zu erwarten. Aber nein, ich will kein Risiko eingehen und ich kenne St. Du Gard sehr gut. Der Esel war mir trotzdem ein treuer und lieber Begleiter und meine Reise wird so ein besseres Ende nehmen, als wenn ich mich später ständig fragen würde, ob ich dem Tier zu viel zugemutet, ihn gar gequält hätte. So ist es auch gut. Nein, wir werden heute und morgen schön faulenzen und danach geht es für uns in Auto und Hänger zurück nach La Plagnal, wo er erstmal Urlaub von den Strapazen der Reise machen kann und ich mich verabschieden muß. Über all diesen Gedanken ist mein Ärger verflogen und ich setze mich runter vor die Bar, wo es einen kleinen Tisch mit Ausblick auf meinen Esel gibt. Der Espresso ist, wie schon auf der ganzen Reise, lausig und verdient den Namen wirklich nicht. Aber als Kaffee ist er ok und die letzte Stunde bis zum Abendbrot wird schnell vergehen. Ich entdecke im Nacken der jungen Dame die kein Wort englisch spricht die Tätoowierung „Love is a Battlefield“ bestelle mir eine Cola und beschließe, mich einfach zu freuen. Noch dreißig Minuten bis zum Abendbrot, durchs Fenster beobachte ich meinen Esel wie er friedlich sein Stroh kaut, werde immer wieder von Wanderern angesprochen, die mir die Bilder von uns auf ihren Telefonen zeigen und klebe Briefmarken auf Postkarten. Ob die Leute wohl vor zehn Tagen auf diesen erfolgreichen Abschluß der Wanderung gewettet hätten? Der Tag, der mit Sturm und Regen begann, endet in den freundlichsten Farben und das Abendbrot, ein überreichliches Buffet mit zahlreichen lokalen Spezialitäten, ist wunderbar, Annabel die Chefin stellt mir am Ende gar ihren eigenen Computer hin, damit ich die wichtige Korrespondenz erledigen kann und während ich an der Bar sitze und noch einen Pernod trinke, ertönt aus dem Speiseraum schöner Gesang. Die große Reisegruppe, die mir schon einen Rotwein spendierte, hat angefangen Volkslieder zu singen, dann folgen Gedichte und Geschichten, einzelne Mitglieder tragen etwas vor und es wird reichlich gelacht. 21 Uhr gehe ich überglücklich ins Bett.
KategorienReise&WandereselSchlagworteCassagnas, Espace Stevenson, Esskastanien, Mijavols, Mimente, St. Julien-d’Arpaon
Eselwanderung – auf dem Stevensonwanderweg von Le Pont-de-Montvert nach Mijavols
Posted onAutorDerReisende
31.5.16 – der neunte Wandertag auf dem GR 70
Es ist ein nasser, kalter Morgen und ich überlege, wo ich den Süßen wohl finden werde. Habe ich von dem Esel auf der Brücke nur geträumt, war es vielleicht ein anderer Esel? Geh ich rechtsrum zur Brücke und suche im Dorf oder schaue ich doch gegenüber in der Koppel nach. Allein den Kopf aus der Herberge zu stecken ist ein Akt der Überwindung.
Es regnet und mir ist kalt. Doch kaum bin ich auf der Straße höre ich ein freudiges, mir sehr vertrautes Schnaufen und Prusten, ein freudiges IAhhh und schon steht mein Eselchen neben mir. Kann losgehen Süßer. Ich nehm den Grauen am Führstrick und binde ihn an einem Geländer an. Leckerli, Hufe, Gepäck aufladen, ein Kuß und noch ein Leckerli, dann geht es los und auf den Abstieg von gestern folgt, es war ja klar, ein langer, schwieriger Aufstieg. Stetig laufen wir bergauf in Richtung Mijavols, der Weg bietet tolle Blicke zurück in Richtung Montvert.
Es ist die gleiche, schöne Landschaft, die wir schon gestern so bewunderten – Nassis mit dem Magen, ich mit den Augen – und trotz der grauen Wolken läßt der blühende Ginster die Landschaft so leuchtend gelb erscheinen. Die Welt um uns herum besteht aus grünen Wiesen, grauen Granitfelsen und gelben Ginster Wenn nur der Himmel ein Erbarmen hätte. Grau in grau ist es über uns, doch so lange es wenigstens nicht regnet will ich nicht meckern. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten läuft Nassis langsam aber stetig bergauf. Man sollte nicht denken, daß es nach Überwindung von Mont Lozère und Sommet de Finiels nicht mehr bergauf gehen würde. Der Anstieg hat es in sich. Allein die zauberhafte Landschaft entschädigt für alle Mühen und mein lieber Nassis läuft mehr oder weniger gleichmäßig vor sich hin. Ich habe schon mehrfach beobachten können, wie wenig es ihm gefällt, wenn der Tag mit Kletterei anfängt. Doch ich kann es ja nicht ändern und außerdem weiß ich, daß es nicht wirklich eine Anstrengung für ihn ist. Eher ein mentales Problem und da gibt es zum Glück Abhilfe. Das Hauptproblem auf unserer Reise ist nämlich die geringe Gruppengröße. Er möchte gern mit vielen anderen unterwegs sein. So ist er es gewohnt, so kennt er es und inzwischen nutze ich das manchmal auch aus, indem ich einfach vor einer Steigung eine kleine Pause einlege und warte, bis die nächste Gruppe kommt. Haben die uns erst einmal erreicht, ist der Rest ein Kinderspiel. Auf die üblichen Fotowünsche mit meinem Esel folgen Tips, wie man einen Esel antreibt. Danke sehr, wir warten nur auf sie, nun machen sie mal hin … denke ich mir still und kaum setzt sich der ganze Haufen in Bewegung, läuft mein Nassis brav hinterher. Gelernt ist gelernt und heute paßt alles zusammen. Vor jeder großen Steigung, und davon gibt es reichlich, lang und steil, passe ich eine Gruppe ab und es läuft wie geschmiert. Danach lasse ich ihn trödeln und über seiner Fresserei verliert er das Tempo aus dem Blick; keine fünf Minuten später sind wir wieder für uns und laufen gemütlich, still, kauend (er), Seite an Seite durch die schönste Waldlandschaft. Als der Weg an einem Abhang entlang verläuft, bietet sich uns ein unglaubliches Schauspiel dar. Einige tiefhängende Wolken ziehen etwas unter uns zwischen den Bergen dahin und es ist, als könnte man in die Watteschicht hineingreifen. Ich halte mein langes Stöckchen über den Abhang und rühre damit wie in Zuckerwatte – was mein Esel angesichts meines kindlichen Benehmens denkt will ich gar nicht wissen -, bis ein Windstoß plötzlich ein Wölkchen direkt auf uns zu treibt und für Sekunden verschwinden wir beide und die ganze Landschaft um uns herum im Nebel. Nassis hat die Ohren angelegt und ich sehe, daß er in die Hocke gegangen ist. Ich könnt ihn knuddeln. Mich stören weder Regen noch Wind und wahrlich frohgemut durchwandern wir ein kleines Tal, bevor ein wirklich langer und schwieriger Anstieg seinen Anfang nimmt.
Sollte ich rückblickend einschätzen müssen, welche dieser Klettertouren die längste war, dann ist es wohl die heutige gewesen. Zugleich ist es aber auch die wohl schönste Strecke und nur dieser Eindruck zählt. Nachdem die letzte Wandergruppe außer Sichtweite ist, schlendern mein Esel und ich ohne jede Hast bis nach Mijavols, wo wir im Gite de Etape übernachten sollen. Beim ersten Anblick bekomme ich einen Schreck und schaue mich hilfesuchend um. Ein mit Folie und Autoreifen abgedecktes Dach nebenan, das Haus selber sieht auch nicht gerade gut aus, kein Mensch weit und breit, doch Nassis scheint zu wissen wo er hingehört. Zielstrebig strebt er Richtung Koppel und während ich überlege, wo ich mein Zelt einigermaßen windgeschützt und trocken aufbauen könnte, kommt ein weiterer, junger Wandersmann daher der nicht gleich aufgibt und viel energischer auf die Türklinke drückt als ich. Auf geht sie die Tür, 10 Minuten später brennt das Feuer im Kamin und wir teilen Essen und Kaffee, entdecken die sauberen Toiletten und den großen Elektroheizkörper an der Wand, auf dem wir unsere Sachen trocknen. Wir sind beide überrascht, hier hat scheinbar jemand an die wirklich wichtigen Dinge gedachte. Der Herd in der Küche funktioniert, Holz ist reichlich da – alles was man tatsächlich braucht – und schnell liegt mein Schlafsack auf einem der Betten und ich darin. Auf dem großen Tisch ein Zettel mit dem Hinweiß auf das Abendbrot um 20 Uhr im Dorf bei Frau Chaptal und nach und nach treffen acht weitere WanderInnen ein, die alle klatschnass und trotzdem guter Dinge sind; meine Laune hat sich deutlich verbessert, was durchaus mit dem netten Franzosen zu tun hat, mit ich mein Essen teilte. Die Hütte ist warm, wir besprechen für morgen die möglichen Routen für mich, weil der Weg über Florac nicht zu schaffen ist, und kurz vor 20 Uhr schließe ich mich den anderen an. Gemeinsam gehen wir ins Dorf, wo wir von vielen Hunden und Katzen und einer ganz liebenswerten Frau begrüßt werden. Nur Minuten später finde ich mich in einem Wohnzimmer an einem langen Tisch wieder, es gibt Pastis, Brot, Schinken und Salat, und darf teilhaben an einer großartigen Erfahrung. Der Hauptgang ist sensationell – alles was es hier gibt kommt aus eigener Produktion, weil man weit und breit nichts kaufen kann – die Walnußwürstchen mit den typisch grünen Linsen sind eine echte Überraschung und Rotwein, Ziegenkäse und Kuchen schmecken fantastisch. Gegen 21 Uhr kommt der Bauer von draußen rein, lacht und reibt sich mit seinen großen, schweren Händen freundlich das Kinn, nimmt sich die Schüssel mit den Salatresten und nun beginnt scheinbar jeder hier etwas zu erzählen, was mein Nachbar so weit wie möglich für mich übersetzt. Kein Hotel könnte dies bieten. Ich bekomme noch eine große Schale mit Eselfutter, worüber sich mein Nassis sichtlich freut, liege kurz darauf im Schlafsack und wache erst 5:30 auf, weil ein klägliches Miau mich weckt. Wir haben ein Kätzchen zu Besuch und während ich den Kamin neu entfache, damit die anderen es nachher warm haben, mir einen Tee koche und Käsewürfel für die Mietz schneide, hört es draußen sogar zu regnen und zu stürmen auf. Wir haben den 1.6.16
KategorienReise&WandereselSchlagworteGite d’étape Chaptal, Le Pont de Montvert, Mijavols
Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von Mont Lozère nach Le Pont-de-Montvert
Posted onAutorDerReisende
30.5.16 – der achte Wandertag auf dem GR 70
6:30 schaue ich aus dem Fenster und sehe die Pferde in ihrer Koppel auf der gegenüberliegenden Straßenseite nicht. Der Wind fegt einen feinen Dunst aus Nebel und Nieselregen über die Straße und ich beschließe, mich lieber schnell auf den Weg zu machen. 7:00 ist Nassis startklar, 7:12 verlassen wir unser Gite und biegen nur wenig später auf den Wiesenweg neben der Kirche ein, auf dem wir nach oben gelangen werden. Narzisse läuft erstaunlich gut und ich lasse ihm die ständigen Bisse ins Gras mehr oder weniger durchgehen. Der Regen hat aufgehört, doch es ist schrecklich kalt und der Wind wird, je weiter hoch wir kommen, natürlich immer stärker. Die Sichtweite beträgt vielleicht hundert Metern und ich achte auf jede Wegmarkierung und man wird es mir vielleicht nicht glauben: doch 8:16 haben wir das Hochplateau unterhalb des Gipfels vom Sommet de Finiels erreicht – hier entstand das Foto von Narzisse im Nebel –
und genau 8:35 sind wir ganz oben auf dem Sommet de Finiels und eilen weiter. Fünf, sechs Meter vor mir verschwimmt alles im Nebel und ich nehme den Esel nun doch lieber am Führstrick. Sturmböen peitschen uns den Regen um die Ohren, von der Landschaft ist nichts zu sehen und wohin man auch blickt, besteht alles nur aus Nebel. Der Abstieg gerät zum Kinderspiel und Narzisse wächst über sich hinaus. Wir nehmen, obwohl der Reiseveranstalter uns davon abgeraten hat, den direkten Weg, den Stevenson-Weg und ich kann nur empfehlen, es uns gleichzutun. Der angeblich zu steile Abstieg ist ein Kinderspiel und der schmale Pfad durch den Wald, welchen man nach gut 600 Metern unterhalb des Gipfels erreicht, wird für uns zur Rennstrecke. Die Wegmarken sind sehr gut zu sehen und nur auf der mit Granitblöcken übersäten Wiese unterhalb des Gipfels, auf die man nach einer Rechtsabbiegung gelangt, muß man etwas aufpassen, weil einige Löcher im Boden sind. Im Galopp geht es hinunter und keine halbe Stunde später sind wir auf dem breiten Waldweg, es wird etwas heller und ich bin bester Dinge. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes nach unten gejoggt und ich muß Nassis komplett neu beladen, weil das Gepäck bei dem Tempo verrutscht ist. Die Tour ist ein Kinderspiel. Finiels erreichen wir nach einer guten, weiteren Stunde und ich lasse den Grauen etwas trödeln, versuche aber trotzdem, die permanente Fresserei einzudämmen, was leider nur mäßig gelingt. Egal, wir sind gut in der Zeit und ich genieße die Landschaft, atme tief ein und bin unheimlich froh in diesem Moment. Der Himmel spendiert ab und an ein blaues Loch mit Sonnenschein und bis 11 Uhr haben wir keine anderen Menschen gesehen. Was ich ebenfalls genießen kann. Wir sind allein. Finiels muß man nicht unbedingt gesehen haben, doch mit Blick auf die Landschaft drumherum hat der Ort seinen ganz eigenen Reiz und der Rest des Weges bis nach Le Pont-de-Montvert ist der schönste Streckenabschnitt, den ich bisher erlebt habe. Die großen, grauen Granitblöcke auf den Wiesen, der gelbe Ginster und die Rundungen der Berge. Es ist ein Spaziergang durch ein Naturparadies, den wir ganz für uns haben. Nach anderthalb Stunden sehen wir unten im Tal Montvert und jetzt wird der Abstieg wirklich anspruchsvoll. Nassis zickt rum und wir kommen oft nur schrittweise voran. Mir ist aber klar, daß dieser Abstieg für den sonst so trittsicheren Esel schwierig ist und so mancher Schritt Überwindung kostet. Ich gehe langsam voran, führe in die Richtung die mir als gangbar erscheint und lasse ihn langsam laufen. Bei Bedarf ziehe ich vorsichtig und rede beruhigend auf ihn ein. Wir nähern uns Schritt für Schritt und sind Schlag 14 Uhr am Ziel in der Auberge des Cevennes, wo Stevenson einst zu Mittag aß. Die Auberge Cevenne liegt malerisch am Fluß, sieht schon von außen so alt aus wie sie tatsächlich ist und versprüht auch von innen den Charme längst vergangener Zeiten. Es hängt angenehmer Geruch nach Bistro und Parfum, alten Holzwänden und Fußböden, der Küche und all den anderen Zutaten der letzten 100 Jahre im Haus. Mein Zimmer, die Nr. 2, ist klein und wirkt auf den ersten Blick sonderbar altmodisch und modern zugleich.
Entpuppt sich leider als kalt und damit werden die nassen Sachen wohl nicht trocknen und bei genauerer Betrachtung im Detail auch leider als lieblos und geflickschustert. Die Dusche ist sauber, doch Schimmelspray für die Fugen kann so teuer nicht sein, ein sich durchbiegendes 3mm Wandpanel ist keine Fensterbank und die Blümchenpolsterung des Bettes wirkte nur beim Betreten des Zimmers romantisch; auf den zweiten Blick war sie nur noch speckig und abstoßend. Ich breite mein eigenes Laken über das Bett und beschließe im Schlafsack zu übernachten. Stören tut mich die nicht funktionierende Heizung. Das ist ärgerlich, weil ich von einem Hotel, welches auf Wanderer spezialisiert ist, einfach so viel Aufmerksamkeit erwarte. Unten im Restaurant setze ich mich neben die Heizung, doch die Hoffnung auf Wärme wird auch hier enttäuscht. Ich bestelle einen Espresso und sehe zu, wie der kalte Kaffee aus der Kanne abgefüllt und dann in der Microwelle fix erwärmt wird. Das Internet ist leider nicht für Gäste und leicht sprachlos entsorge ich den Kaffee hinter mir im Blumenkübel. Der Trick war mir neu. Dann mache ich mich auf den Weg zurück über die hübsche Brücke, ziehe Geld am Automaten, schaue nach, wann das Büro du Tourisme wohl öffnen wird und setze mich in Dredi’s Cafe. Hier ist der Espresso perfekt, freies W-Lan gibt es auch, neben vielen Touristen kommt nach und nach das halbe Dorf vorbei und ich schreibe Postkarten und Tagebuch. Das Cafe, welches den Charme einer Spätverkaufsstelle hat, ist echt prima und ich kehre nach einem Spaziergang und einer Eselrunde wieder hierher zurück. 19 Uhr gibt es dann Abendbrot im Hotel. Die Tische sind wundervoll einfach und sehr ländlich eingedeckt, jeder zweite Hotelgast faßt auf die Heizung und schüttelt den Kopf. Nein, die Heizung geht nicht. Was hier zählt ist das Essen, es ist wieder ein Traum, und sonst nichts. Schade eigentlich. Aber eins muß man mal sagen – vielleicht hab ich es früher nur nicht bemerkt – die Franzosen sind irre nett (geworden). Narzisse bekommt einen Gutenachtkuß, Minuten später sinke ich erschöpft ins Bett und schaue auf die Postkartenkulisse, die sich mir vor meinem Fenster bietet. Le Ponte-de-Montvert ist ein wirklich hübsches Örtchen. Die berühmte Brücke mit dem Uhrenturm, vor dem der Anführer der rebellierenden Protestanten Esprit Séguier 1702 auf den Scheiterhaufen kam und hingerichtet wurde,
glänzt im Schein der Lichter und der feine Regen unterstreicht die romantische Abendstimmung. Dann läuft ein Esel über die Brücke und verschwindet in einer kleinen Gasse auf der anderen Flußseite. Kaum vorstellbar, daß an einem so schönen Ort die Camisardenkriege begannen und sich die protestantische Landbevölkerung gegen die Unterdrückung des Glaubens auflehnte. Ludwig d. XIV. war einfach ein ganz schlimmer Despot und kümmerte sich einen Dreck um das Toleranzedikt von Nantes, worin Heinrich IV. die freie Religionsausübung längst anerkannt hatte. Nach und nach überzogen die Beamten des Königs das Land mit immer neuen Anordnungen und Vorschriften – die irgendwann niemand mehr befolgen konnte -, 1685 wurde das Toleranzedikt widerrufen und protestantische Gottesdienste bei Strafe verboten. Eine Politikform, die selten funktioniert und weil gerade in den Cévennen viele Protestanten ihrem Glauben treu blieben, setzte sich die Unterdrückungsmaschinerie in Gang. Nicht, weil es nicht anders gegangen wäre, sondern weil es nicht anging (und angeht), daß das Volk selber entscheidet. Die Folgen des mangelnden Anscheins innerbetrieblicher Demokratie waren (und sind) schon immer verheerend. Der König schickte Soldaten und die Camisarden, benannt nach ihren weiten Hemden, griffen diese immer wieder aus dem Hinterhalt an und brachten den königlichen Truppen empfindliche Niederlagen bei. Als letztes Mittel der sinnlosen Gewalt wurden die Cevennen auf Befehl des Königs 1704 regelrecht niedergebrannt. Über 400 Dörfer steckte man an – als wenn Gewalt Menschen von ihrem Glauben abhalten würde – und erst Ludwig XVI. gewährte den Protestanten wieder die Religionsfreiheit. Hatte ich da gerade einen Esel gesehen? Hellwach sitze ich im Bett und schaue nach draußen, doch keine Spur von einem Esel zu entdecken. Ist auch egal, denke ich mir und schließe die Augen.
KategorienReise&WandereselSchlagworteAuberge des Cévennes, Camisarden, Camisardenkriege, Le Pont de Montvert, Ludwig XIV., Ludwig XVI., Mont Lozère, Sommet de Finiels, Toleranzedikt von Nantes
Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von Les Bonnetès nach Mont Lozère
Posted onAutorDerReisende
29.5.16 – Der siebente Wandertag auf dem GR 70
Ein erster Blick aus dem Fenster und vergnügt stelle ich fest, es sieht gar nicht so schrecklich aus, wie nach dem Gewitter zu befürchten war. Zwar ist der Strom ausgefallen und nach Sonne ist grad aus. Es könnte aber schlimmer sein und erstmal frühstücke ich in aller Ruhe bei Nathalie und werde ermahnt, den Süßen nicht so viel fressen zu lassen. „Dein Esel ist zu dick!“ Und ich dachte immer, ich wäre viel zu streng gewesen. Nassis ist platschnaß vom Gewitter der letzten Nacht und wird also nicht gestriegelt und gebürstet. Sorgfältig putze ich nur die Hufe und dann geht es schon los. Es ist, als würde er wissen, wie blöd er gestern teilweise war. Der schnurrt den Waldweg mit der leichten Steigung lang … es ist die helle Freude und nur 1 1/2 h später sind wir in Le Bleymard, wo Nassis zur Freude vieler Menschen vor dem Supermarkt geparkt wird, während ich einkaufen gehe. Wir teilen uns eine große Möhre und schon geht es weiter. Die kleine Pause war zwar ein Fehler, weil sie den Rhythmus störte, doch er ist bisher toll gelaufen, bis hoch sind es nur noch reichlich 6 km und es ist grad 11 durch. Wir laufen durch Bleymard, folgen dem Stevensonweg, nehmen eine erste, starke Steigung und plötzlich geht die olle Trödelei von gestern wieder los. Ich komme mir vor wie in einer experimentellen Theateraufführung, wo sich die Schauspieler betont langsam wie in Zeitlupe bewegen, nichts passiert, Stück und Darsteller träge dahin schleichen und man am liebsten in die Stille des Zuschauerraumes rufen würde: Nun macht mal hin, ich will um 10 ins Bett, ich muß morgen arbeiten. Dann zeigt man mit dem Finger auf seinen Nachbarn und sagt laut, der da, der war’s. Schnell, schneller, lauf schneller. Verstehst du mich nicht? Aber heute ist es mir irgendwie egal. Es dauert noch einmal fast eine Stunde, aber dann plötzlich läuft es wieder, Nassis nimmt, wenn auch langsam, die stärksten Steigungen der bisherigen Tour und am Ende, als das Wetter wirklich mistig wird, läuft er flott wie ein Hündchen neben mir, hält nicht an und nach fünf Stunden steht er auf seiner Koppel vom Gite Le Refuge, hat sogar einen überdachten Bereich, feinstes Stroh und ich eine Badewanne. Fünf Stunden für diese Strecke ist ziemlich gut. Das Hotel LE REFUGE ist toll und weil es in der Lobby – Speisesaal und Kaffeebar in einem – so schön hell und warm ist, sitze ich unten vor einem großen Fenster und schreibe Tagebuch bei Espresso und Heidelbeerkuchen. Ich bin gern hier und ich bin auch gern unterwegs. Was habe ich nicht alles zusammen mit diesem Esel erreicht und mit Blick auf die absolvierte Strecke bin ich überrascht, wie gut wir bisher vorangekommen sind und voller Optimismus schaue ich auf die kommenden Tage.
Der Regen macht eine Pause und ich gehe nach draußen, hole mir den Nassis aus der Koppel und gemeinsam gehen wir eine Runde spazieren. Ein Spaziergang ohne Führstrick und ohne Gepäck und mir scheint, als würde mein Eselchen plötzlich deutsch verstehen. „Komm“ und wir drehen eine kleine Runde, blicken auf zum höchsten Punkt der Reise, den wir morgen erreichen werden, besuchen im Hotel gegenüber einige Wanderer und Nassis schaut sich noch die Pferde an. Die Landschaft auf dem Mont Lozère ist geprägt durch große Granitfelsen, einem niedrigen Nadelwald und einer für die Höhe typische Heidelandschaft. Hier oben, wo es zahlreiche Torfmoore gibt, die vom Mittelmeer kommenden Wolken oft heftig abregnen und es so aussieht, als würde der Wind die Natur in eine bestimmt Richtung drücken, entspringen neben dem Altier und Tarn auch Lot und Luech. Vier Flüsse, aus denen sich unter anderem Garonne und Rhône speisen. Wir sind schon so hoch und morgen dann geht es auf den Sommet de Finiels und dessen 1699 Meter. Irgendwo da hoch, wo der Sturm die Wolken mit Macht vor sich hertreibt. Wenn das Wetter nicht so mistig wär, würde ich mit ihm irgendwo im Wald zelten. Zurück im Hotel hole ich mir einen großen Pott Tee und setze mich noch ein Stündchen zu Nassis in die Koppel. Ich weiß, daß er seine Herde vermißt und deshalb immer so herzerweichend ruft, wenn ich ihn allein in seiner Koppel zurücklasse.
IAaahhhh … wenn das Eselchen sich freut.
Jetzt steht er neben mir und sucht in meinen Händen nach Leckerlis, schiebt seinen Kopf vor meine Brust und legt sich am Ende neben mir ins Stroh. Ich beuge mich zu ihm hinunter und kuschle mich fest an ihn und leiste meinem Esel noch bis zum Abendbrot Gesellschaft. Es gibt einen herrlich frischen Salat, Suppe, einen Hauptgang und Eis. In einer Art Freßnarkose schleppe ich mich auf mein Zimmer und schlafe sofort tief und fest ein.
KategorienReise&WandereselSchlagworteLe Refuge, Mont Lozère, Sommet de Finiels
Beflügelter Esel – ein Gruß aus Rom
Posted onAutorDerReisende
Es ist schön, wenn die lieben Freunde Postkarten, Briefe und Grüße aller Art aus dem Urlaub schicken und dabei die schönsten und lustigsten Bezüge herstellen. Früher gab es für mich immer Bilder mit Windsurfern oder SUPaddlern, Saxophon oder Klavier. Seit einigen Wochen schickt man mir Esel. Was andere vielleicht für versteckte Anspielungen oder den berühmten Wink mit dem Zaunpfahl halten würden, ist mir das größte Kompliment. Danke liebe Barbara.
KategorienBildereselSchlagworteEselbilder
Eselwanderung – eine Variation des Stevensonwanderweges von Chasseradès nach Le Bonnetès
Posted onAutorDerReisende
28.5.16 – Der sechste Wandertag auf dem GR 70
Nassis hat einen schlechten Tag und trödelt unglaublich rum. Ich habe etwas Angst vor der Strecke, weil wir den Stevenson-Weg verlassen werden und dann wirklich auf uns alleine gestellt sind. Keine anderen Wanderer, an denen wir uns orientieren könnten und das heutige Ziel liegt deutlich abseits der markierten Strecke. Zudem soll das Wetter schlechter werden und all zu oft schon habe ich erlebt, wie verheerend sich Starkregenfälle und Gewitter im französischen Zentralmassiv auswirken. Innerhalb von dreißig Minuten wird aus einem blauen Himmel ein graues, stürmisches Regenungetüm, was kleinste Bäche in kürzester Zeit in tosende Flüsse verwandelt und weil der Boden diese Wassermassen nicht so schnell aufnehmen kann, wälzen sich Sturzbäche über Wiesen und Felder abwärts ins Tal. Um ehrlich zu sein, beunruhigen mich die Vorhersagen und ich fürchte, daß es mit den schönen Tagen vorbei sein wird. Aber erstmal scheint noch die Sonne und weit haben wir es heute wirklich nicht. Vom Hotel „Les Sources“ bis in den Ort Chasseradès laufen wir gemütlich am Straßenrand und ich betrachte mit einiger Neugier den Schneeverwehungstunnel der Bahnstrecke. Diese Tunnel werden immer dort angelegt, wo die Gleise durch eine Senke oder Mulde führen und damit sich im Winter nicht der Schnee im tiefliegenden Gleisbett ansammelt, werden die Gleise besonders ungünstig gelegener Streckenabschnitte mit einem Tunnel überbaut. Das Örtchen Chasseradès ist hübsch und bietet einige Möglichkeiten für ein gemütliches Frühstück und ich überlege, ob wir zeitlich hinkommen würden. Nassis hat sich direkt vor den Bäcker gestellt und scheint nur darauf zu warten, daß ich ein Stückchen Croissant ausgebe. Na gut du oller Freßsack, aber nur ein kleines Stückchen. Ich sollte dir lieber einen Espresso spendieren. Die ersten Wanderer brechen zu ihren Touren auf, die Taxifahrer laden das Gepäck in ihre Autos und Nassis hat mehrere Fototermine mit fremden Leuten. Hier anzuhalten war ein Fehler, weil der Esel abwarten will, ob wir nicht doch lieber zusammen mit einer Gruppe weiterlaufen könnten. Er steht und träumt und bewegt sich nicht. Die kleine Steigung durch den Ort erscheint als unüberwindbares Hindernis. Wenn der Kerl doch nur laufen würde. Eine Eselwanderung ist bisweilen etwas anderes als eine Wanderung ohne Esel. Streckenweise gleicht sie mehr einem Spaziergang und dann wieder ist sie unfreiwillige Pause oder Panne, so genau weiß man das oft nicht – mit dem Unterschied, daß man keinen Abschleppservice anrufen kann -, und ich frage mich, ob ich mehr Wanderer oder Antreiber bin. Heute auf jeden Fall bin ich am drängeln und will mich nicht entschleunigen lassen. Nicht von dem Esel, heute nicht. Soll ich dir noch einen RedBull kaufen? Nassis läuft, als hätte er Schlaftabletten genommen und obwohl er gut gefressen hat und sich lange ausruhen konnte, tut er so, als hätte er seit Tagen nichts mehr bekommen. Oder liegt es an meiner franz. Aussprache? Kommen die Kommandos und Aufforderungen sich bitteschön etwas zu sputen nicht richtig bei ihm an? Ich weiß, daß er viel schneller könnte, er selbst macht es mir immer wieder vor, genau dann, wenn er urplötzlich eine Wiese voller Butterblümchen entdeckt und losrennt, als gelte es das Leben. Nein, das ist alles nur Theater und deshalb schwinge ich mein Stöckchen und bringe ihn langsam auf Trab. Doch schnell sind wir heute nicht und weil ich so mit dem Antrieb des Esels beschäftigt bin, laufen wir oft für einige Meter in die falsche Richtung, übersehen Wegmarkierungen und verpassen mehrfach den richtigen Weg. Leider bleibt in diesem Bereich des Wanderweges mancher Abzweig etwas unklar und ängstlich setze ich den Weg fort. Im Schlepptau einen schleichenden Esel, der mehr mit fressen als laufen beschäftigt scheint. Wir kommen nach Mirandol, wo man auch gut übernachten könnte und erreichen den Weiler L’Estampe. Danach verlasse ich mich nicht mehr auf die Wegmarkierungen, die uns jetzt sowieso nicht weiterhelfen würden. Unser Weg führt nicht über Les Alpiers und weiter nach Le Bleymard, sondern zweigt wenige Kilometer nach L’Estampe von der Asphaltstraße D 120 in einer engen Rechtskurve ab und führt geradeaus direkt in den Wald hinein.
Fragen sie nicht, woran ich die Stelle erkannt habe. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nur auf mein Gespür und recht ordentliche Karten verlassen. Die ersten hundert Meter des Weges sind noch befestigt und es sieht aus, als würden hier Forstarbeiten durchgeführt werden. Große Holzstapel liegen herum und es ist genügend Platz, damit LKWs wenden können. Fünfzig Meter weiter steht man vor einer V-förmigen Weggabelung und hier muß man unbedingt den rechten Weg nehmen, hinein in den dunkleren, älteren Teil des Waldes. Nach dreihundert Metern kommt ein einfaches Schild GITE und ich muß unweigerlich laut lachen. Ich hätte es ja weiter vorne angebracht. Na egal. Plötzlich schnurrt Nassis wie aufgezogen, läuft dicht neben mir und ohne zerren und fluchen kommen wir 16 Uhr im Gite von Nathalie an … im Paradis, wo leider nur ein kühler Wind weht. Für den Süßen gibt es eine wunderbare Koppel, Nathalie holt ihren alten Esel dazu und so haben die beiden etwas Gesellschaft. Für mich gibt es Limonade, einen Platz an der Sonne, zwei Katzen und einen Hund, der sich auf meine Füße lägt und diese ganz prima wärmt. Später dann …
ein wunderbares Abendbrot am Kamin und zum Einschlafen ein herrliches Gewitter. Ich weiß, die schönen Tage sind vorbei.
KategorienReise&WandereselSchlagworteChasserades, D 120, Gite de l’Escoutal, L’Estampe, Le Bonnetès, Mirandol
Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von La Bastide-Puylaurent nach Chasseradès
Posted onAutorDerReisende
27.5.16 – Der fünfte Wandertag auf dem GR 70
Wandertip: Bevor sie heute auf eine recht kurze Etappe starten, sollten sie den Morgen nutzen und sich das Trappistenkloster Notre Dame des Neiges anschauen, wo Robert Louis Stevenson seinerzeit übernachtete; was ich nur empfehlen kann. Der Ort ist wunderbar ruhig gelegen und man kann dort sehr gut übernachten. Lassen sie ihre Sachen im Hotel, den Esel auf der Koppel, und gehen sie einfach so die 5,5 km zum Kloster. Wenn sie nach dem Frühstück ohne Esel stramm loslaufen, sind sie gegen 11 Uhr zurück und dann haben sie immer noch genügend Zeit für die Tour nach Chasseradès.
Der Tag beginnt wie immer mit der Pflege des Esel, ich gönne mir zur Abwechslung mal ein Frühstück und habe es auch sonst überhaupt nicht eilig. Es ist eine kurze Etappe und schließlich soll es ja Urlaub mit Erholungseffekt sein. Wir verlassen das Hotel, laufen eine weite Rechtskurve schwenken nach links über die Gleise und dann beginnt ein Aufstieg der es in sich hat. Die Kletterei geht nicht nur mir auf die Knochen und Narcisse testet mal wieder aus, was geht und was nicht. Ich fürchte mit der Zeit nicht hinzukommen und bereue die morgentliche Trödelei. Wir sind 9 Uhr los und es will und will einfach nicht vorwärts gehen. Ständig bleibt er stehen und schaut sich den Löwenzahn an. Mir platzt der Kragen und mein Stöckchen kommt wieder zum Einsatz. Ständig kratzt es hinter ihm auf der Straße oder wedelt ihm rechts oder links vor der Schnauze herum, wenn er nach Freßbarem giert. Ich fluche, bleibe hartnäckig, lasse nicht locker und dann gibt er auf, tut, was ihm aufgetragen und läuft und klettert und läuft. Nach zwei Stunden haben wir den Anstiegt von fast 5 km Länge absolviert und gönnen uns eine schöne Pause auf dem Berggipfel. Der Süße darf sich austoben, wälzen und fressen, andere Wanderer anbetteln und sich fotografieren lassen. Ich mache mir einen RedBull Heidelbeere auf, entdecke lauter schöne Fotomotive und weil das Teewasser noch nicht kocht, gehe ich mit der Kamera umher und fotografiere Blümchen, bis ich plötzlich in meinem Rücken ein Geräusch höre, welches mir einen unglaublichen Schreck einjagt und mir doch sehr vertraut vorkommt. So klingt es, wenn man eine Getränkedose zerquetscht und im Herumdrehen sehe ich wie in Zeitlupe meinen Esel, der mit hocherhobenem Kopf dasteht und sich meinen RedBull in den Hals laufen läßt. Also er muß grad damit fertig gewesen sein und vor meinen Augen senkt er den Kopf, die Dose fällt ins Gras und Nassis dreht ab. Der Lumpenhund hat meinen RedBull ausgesoffen, das darf doch nicht wahr sein. Na warte Freundchen, wer RedBull säuft muß Leistung zeigen. Aus dem geplanten Tee wird ein Espresso, dann wird der Räuber beladen und weiter geht es durch den Hochwald. Der Weg verläuft jetzt flach ohne weitere Steigungen über das Plateau de la Mourade, auf der linken Seite steht ein großer Sendemast und wir laufen hinein in den Forêt Dominiale de la Gardille, werden von den netten Französinnen eingeholt und gehen dann gemeinsam weiter.
Mal sind sie vorne und dann wieder wir, die vier singen Chansons und ich erinnere mich an eine der ersten Schallplatten, die meine Mutter sich nach der Scheidung kaufte: Juliette Gréco und bis heute gehört ihre Interpretation von Parlez-moi d’amour zu meiner Lieblingsmusik und die Melodie pfeifend ziehen mein Esel und ich auf der D 6 weiter, halten uns auf der Straße, werfen einen Blick auf den langen Schneeverwehungstunnel der Eisenbahn und erreichen das Hotel „Les Sources“ von Éric Chaptal kurz vor 15 Uhr. Ein herrlicher Ort und ich werde erstmal auf einen Espresso eingeladen und während meine Wanderfreundinnen bis nach Chasseradès weiterlaufen, machen wir es uns gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und faulenze während sich das Eselchen wälzt und Salz leckt. Zwischendurch wird Wäsche gewaschen, Mittagsschlaf gemacht und ich schreibe Postkarten, viele Postkarten, bevor es zum Abendbrot geht, was wieder der krönende Abschluß des Tages ist. Es besteht wie immer aus mehrere Gängen und ist umwerfend lecker. Noch nie hatte ich Wachtel, die Gemüsesuppe ist sehr fantastisch und zum Nachtisch gibt es Eis.